Die Richterin führte in ihrer Begründung unter anderem aus:

“Die Frage ob die angesprochenen Kommunikationsschwierigkeiten im Sinne von: Schwierigkeiten, ein nicht zweckgebundenes Gespräch über Angelegenheiten der Kinder miteinander zu führen, so schwerwiegend ist, dass deshalb die Übertragung der Sorge auf beide Eltern zusammen dem Kindeswohl widerspricht, ist zu verneinen. Den Eltern ist beiden zuzumuten, an der Kommunikation in Angelegenheiten der Kinder zu arbeiten. Zwar bezeichnen beide Elternteile die Kommunikation als schwierig. Bis zur Anhörung bei Gericht ist es aber die Mutter gewesen, die sich einem gemeinsamen Gespräch widersetzt, also an der Behebung der Kommunikationsschwierigkeiten derzeit kein Interesse zeigt. Der Vater hat die Mutter nicht behindert auf Feldern, auf denen möglicherweise unterschiedliche Auffassungen bestehen: Medizin, sie auch in der religiösen Erziehung der Kinder nicht behindert. Damit widerspricht im Ergebnis die Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Eltern zusammen als gemeinsame Sorge nicht dem Kindeswohl.”

Als erste Erfahrung mit der neuen Regelung war das sehr ermunternd.

In den 15 Monaten seither begleitete ich nur diesen einen nicht ehelichen Vater im Rahmen seines Antrages auf Einrichtung der Gemeinsamen Sorge vor dem Familiengericht.

Alle weiteren Verfahren, in denen ich als Beistand seit Einführung der neuen Regelung mit vor Gericht war, zeigen folgendes Bild:

23.05.2013 bis 31.12.2013

16 Termine
9 Umgang, 1 ABR, 1 HAO, 1 Vaterschaft, 2 ASR Mutter, 1 Schulanmeldung (Ersetzen der Unterschrift), 1 GSR ne

01.01.2014 – 30.08.2014

19 Verfahrenstermine
17 Umgang, 2 HAO

Bei den vielen Umgangsverfahren waren auch nicht eheliche Väter betroffen, die gerne das GSR beantragt hätten, die aber einsehen mussten, dass vor diesem Antrag zuerst einmal eine befriedigende Umgangssituation geschaffen werden musste, die als Ausgang für eine befriedigende Elternkommunikation dienen kann.
So gesehen waren einige Umgangsverfahren vorbereitende Aktionen für eine künftige Beantragung des GSR.

Daneben habe ich von vielen Verfahren, die entweder allein oder mit Anwalt geführt wurden, Kenntnis erhalten.
Mehrheitlich zeigt sich folgendes Bild:
Wurde der Antrag als reine Umsetzung einer neuen Rechtslage und als Regulierungsinstrument für eine defizitäre Mutter verstanden, ging er fehl.
Wurde er konstruktiv gestellt, wurde er positiv beschieden.

„Mühlespiel mit Fallenstellen“

Am 22.11.2013 war ich bei der Herbsttagung der „Interdisziplinären Facharbeitsgemeinschaft Trennung und Scheidung Karlsruhe“ als Podiumsgast geladen.
Ich fasste meine Erfahrungen zur Praxis der neuen Sorgerechtsregelung in der Aussage zusammen, dass unter den derzeit herrschenden Bedingungen das familiengerichtliche Procedere zur Gemeinsamen Sorge zum „Mühlespiel mit Fallenstellen“ verkommen sei.

Vertraut ein nicht ehelicher Vater auf unser Rechtssystem und stellt einen schlichten Antrag auf die Übertragung der Gemeinsamen Sorge für ein Kind beim Familiengericht, weil er gelesen hat, dass er darauf jetzt ein Anrecht hätte, denkt er nicht daran, diesen Antrag auf besondere Weise zu begründen. Er stellt ihn, weil er sich im Recht sieht.

Und damit schnappt die Falle zu, die ihm unser (mindestens latent) mütterzentriertes System gestellt hat.

Die Anwältin der Mutter, die natürlich auf solche Gelegenheiten wartet, schlägt zu und macht das, was das Gesetz in diesem Fall vorschreibt:
Sie trägt alle möglichen – immer wieder auch erfundene – Gründe vor, warum das Gemeinsame Sorgerecht mit diesem Vater in diesem besonderen Fall nicht möglich sei.

Das ist die Vorlage für die zweite Falle:
Der Vater ist in Rechtfertigungszwang – und sieht verdammt schlecht aus dabei.
Keiner, der eine lange Liste von Vorwürfen abweisen muss, die seine Person demontieren, macht eine gute Figur.
Und niemand weiß so richtig, was alles aus der Vorwurfsliste begründet ist. Etwas bleibt immer hängen.

Ein durchaus üblicher Anlass für die Antragsstellung eines nicht ehelichen Vaters ist das Faktum, dass er die Faxen jetzt endlich dicke hat. Er möchte die kleinen und großen Unzumutbarkeiten, die die Mutter dem Kind und ihm bereitet, endlich der Vergangenheit angehören lassen: Er erhält keine Informationen über die Vorkommnisse in Kindergarten und Schule, ist von allen Informationen zum Gesundheitszustand des Kindes ausgeschlossen und im Kontext Umgang gibt es immer wieder eigenmächtige Eingriffe der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Vaters.

Also schildert er solche Situationen und erklärt, dass er hoffe, dass dies mit seinem Antrag endlich erledigt sei.
Die Falle ist zugeschnappt.
Eine OLG-Richterin erklärte mir einmal, dass Familienrichter nicht dazu da seien, Mütter zu sanktionieren.

Wenn der Vater informiert ist, begründet er seinen Antrag einleuchtend:
Er erklärt, was sich bisher mit der Mutter alles konsensual klären ließ.
Er beschreibt, wie er seine Sorgeverantwortung immer gelebt hat.
Er beschreibt, welche seiner Kompetenzen er komplementär zur Mutter für das Kind wirksam werden lassen möchte.
Er erläutert seine Vision von einer gemeinsam verantworteten Elternschaft und beschreibt seinen Anteil daran.

Damit benutzt er die kontraproduktiven Vorbedingungen des Systems, um seine Falle aufzubauen.
Die Mutter hat nur noch die Möglichkeit, Gründe zu nennen, die gegen eine Übertragung der Gemeinsamen Sorge auf den Vater sprechen.
Würde sie dem Vater in allen Punkten zustimmen, hätte sie ja schon vorher mit ihm zum Jugendamt gehen können.
Also macht sie das, was das Gesetz zur Zeit vorschreibt: Sie schildert alle Gründe, die gegen die Gemeinsame Sorge sprechen und wird damit mit dem Waschen schmutziger Wäsche gegen den konstruktiven und positiven Antrag des Vaters schlecht aussehen.

Damit wird die Antragstellung zur Errichtung der Gemeinsamen Sorge für nicht eheliche Väter zum Spiel mit den sozialen und kommunikativen Unzulänglichkeiten des Sorgepartners und natürlich auch mit dessen mangelndem Informationsstand.

Wer Eltern gesetzlich zu einer Vorgehensweise zwingt, die allein mit den Defiziten des Sorgepartners spekulieren muss, transportiert ein defizitäres Familienbild.