Obwohl immer wieder das „Kindeswohl“ als Maßstab betont wurde, vermittelten die Beiträge der Referenten und Teilnehmer aus den Professionen mehrheitlich den Eindruck, dass primär nicht das Wohl des Kindes, sondern das Wohl der Mutter geschützt werden müsse. Väter werden als gleichwertige Elternteile nicht ernst genommen, sondern im besten Fall als Versorger geschätzt, im schlechtesten Fall als Eindringlinge in (vermutete) harmonische und funktionierende sozial-familiäre Nachfolge-Beziehungen der Mütter kritisiert. Anstatt die Klarheit über die Abstammung zu fördern, wird auch die Vertuschung der Wahrheit ins Belieben der Mutter gestellt und mit dem Kindeswohl begründet.
Das in Arnoldshain versammelte Plenum, hauptsächlich Richter- und Anwaltschaft, war nicht interessiert an der Hinterfragung gesetzgeberischer Abläufe in der Bundesrepublik. Es ging vielmehr darum, die Umsetzung der vom Gesetzgeber vorgesetzten Lösungen zu gestalten. So wurde z. B. sorgewilligen nichtehelichen Vätern von einem anwesenden Anwalt empfohlen, gleichzeitig mit ihrem Antrag auf gemeinsame Sorge einen hilfsweisen Antrag auf alleinige Sorge zu stellen.
Das Faktum, dass Mutterschaft im Grundgesetz biologisch begründet ist, während Vaterschaft trotz Vorhandensein labortechnischer Verifizierungsinstrumente immer noch primär rechtlich definiert ist und in weiterhin der beliebigen Definition und Interpretation offen gehalten wird, wurde in Arnoldshain nicht hinterfragt. Stattdessen eskalierte man die Namensadditive des Stammwortes „Vater“ – rechtlicher, sozialer, biologischer, leiblicher, Stief-, Pflege- oder Adoptiv- mit weiteren Begriffen wie „Putativ-“ oder „Bio-“. Die Rechtskonstruktionen, die man benötigt, um die gegenüber der Mutter fehlende biologische Definitionsgrundlage zu ersetzen, erreichen mitunter kabarettistische Qualität, was an der Reaktion des Plenums zu erkennen war.
Die Referate und Diskussionen am letzten Tag beschäftigten sich mit Fragestellungen aus dem Bereich des Pflegekinderwesens, das eine interessante Schnittstelle zu unserer Thematik eröffnete. Es wird davon ausgegangen, dass in 80 – 90% aller Pflegekinderfälle die Kinder so hoch traumatisiert sind, dass sie therapeutisch aufgefangen werden müssen und eine Rückführung auch auf Dauer nicht in Frage kommt. In diesen Fällen wird eine beschleunigte Festigung der Fremdunterbringung in einer Dauerpflege gefordert und, um einer Retraumatisierung vorzubeugen, möglichst kein Umgang zur Herkunftsfamilie, die als Erzeuger der traumatischen Erfahrungen gilt. Die Schicksale, die uns interessieren, würden nur etwa 10-20% ausmachen. Nur in diesem Segment sei eine Rückführung überhaupt denkbar und sei Umgang wichtig und deshalb kindeswohlkonform.
Es wird also – gemessen an der Entscheidung Umgang ja oder nein – eine scharfe Trennlinie gezogen, die nur durch meist nicht erfolgende Diagnostik überhaupt ermittelbar wäre.
Unsere Erfahrungen aus der Realität sprechen eher dafür, dass sowohl diese Trennlinie nicht so einfach gezogen werden kann und dass die Relation 1:9 bis 2:8 nicht haltbar ist.
Im Rahmen von Kindesherausnahmen im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung erfahren wir die Fälle, in denen Kinder ins Heim kommen, weil sie z.B. zum Vater wollen, dieser aber durch Falschbeschuldigungen der Mutter für die Professionen nicht mehr in Frage kommt. Es geht in diesem Fall allein um die Folgen einer ideologischen Täter-Opfer-Zuweisung ohne jede Verifizierung oder eine erfolgende Diagnostik. Diese erfolgt nachträglich durch Fachkräfte im Heim, die natürlich das ermitteln, was einer möglichst langen Verweildauer und damit der Kontinuität der Einnahmen des wirtschaftlich orientierten Trägers dient.
Trotz einiger konstruktiver Ansätze vermittelte der „Kleine Familiengerichtstag“ daher nur eine halbherzige Botschaft von „Umbruch“ – unterm Strich bleibt der Eindruck, dass Väter weiterhin als Eltern zweiter Klasse gelten, die beliebig einsetzbar und austauschbar sind – Familie als Wechselrahmen. Das Fragezeichen am Ende des Veranstaltungstitels kann im Szenario des Familiengerichtstags somit stehen bleiben.
Kleiner Familiengerichtstag Arnoldshain 25.-27.01.2013
Familienrecht im Umbruch? Internationalität und Interdisziplinarität im Familienrecht
Resümee von Angela Hoffmeyer und Franzjörg Krieg
Autor: AH/FJK - Veröffentlicht 27.01.2013 17:53
Die Vorträge, Diskussionen und Workshops, die sich mit den veränderten Rahmenbedingungen der Familienrechtspraxis (Mobilität, Multinationalität, neue Familienformen) und den davon abgeleiteten Gesetzesreformen im Unterhalts-, Sorge und Umgangsrecht befassten, waren trotz ihres innovativen Ansatzes noch immer in veralteten Denk- und Rollenmustern verhaftet: Der leibliche Vater wird als „Erzeuger“ gesehen, der mit seinem Wunsch nach einer gelebten Vater-Kind-Beziehung als Störfaktor in das von der Mutter dominierte und beliebig veränderbare Nachtrennungs-Familiensystem eindringt.