Muss bei Dissens der Eltern die Frage der Betreuung jedoch durch das Familiengericht geregelt werden, so wurde dieses Modell bisher regelmäßig mit der Begründung abgelehnt, dass ein Kind einen Lebensmittelpunkt haben müsse. Ein Elternteil, zumeist der Vater, wurde fortan zum Wochenendgastgeber für sein Kind bestimmt, mit dem er bis dahin genauso selbstverständlich zusammengelebt hatte wie der andere Elternteil. Eine wissenschaftliche Grundlage für diese „Lebensmittelpunkthypothese“ gab es nicht. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat sich dieser Frage angenommen und ist zu dem Schluss gekommen: „Es ist vielmehr empirisch belegt, dass Kinder sehr gut mit zwei Elternhäusern leben können“. „…jedoch zeigt der Umstand, dass eine paritätische Aufteilung der Betreuungsanteile in vielen Ländern mittlerweile Gang und Gäbe und teilweise sogar gesetzlicher Regelfall ist…“
Für Franzjörg Krieg vom Verein Väteraufbruch für Kinder Karlsruhe e.V. ist diese Entscheidung ein weiterer Baustein einer Trendwende in der deutschen Familienrechtspraxis: „Es ist gut, dass mit überholten Vorurteilen gegenüber der Paritätischen Doppelresidenz (Wechselmodell) aufgeräumt wird. Gefragt ist aber auch der Gesetzgeber, den passenden rechtlichen Rahmen zu schaffen, wie es die Parlamentarische Versammlung des Europarates im Oktober 2015 mit ihrer Resolution 2079 gefordert hat“.
Das Zusammenleben mit beiden Eltern ist für Kinder eine Selbstverständlichkeit, sie wollen sich nach einer Trennung der Eltern nicht zwischen Mama und Papa entscheiden müssen. Diese Möglichkeit sollte in unserer heutigen Gesellschaft, in welcher bei zusammenlebenden Eltern die Aufgaben in Beruf und Familie zunehmend gleichberechtigt aufgeteilt werden, selbstverständlich sein. „In Deutschland ist es wohl noch ein längerer Weg, bis sich die Paritätische Doppelresidenz als Leitbild etabliert hat“ so Franzjörg Krieg weiter. Die positiven wissenschaftlichen Erkenntnisse anderer Staaten zeigen aber, dass es auch bei uns nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis Kinder auch nach einer Trennung stolz verkünden können, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Ich lebe bei Mama UND Papa.
Trennungskinder können auch zwei Zuhause haben
Autor: FJK - Veröffentlicht 17.02.2016 15:16
Pressemitteilung
Der Lebensmittelpunkt ist nicht nur an einen Ort gebunden
Das Hanseatische Oberlandesgericht (2 UF 106/14) hat mit einem alten Vorurteil aufgeräumt: Kinder können sehr gut an zwei Lebensmittelpunkten leben.
Wenn Eltern sich trennen, stellt sich die Frage, bei wem die Kinder künftig leben sollen. In der Praxis beantworten viele Eltern diese Frage einvernehmlich so, dass ihre Kinder bei beiden Eltern zu Hause sind und sie sich die Betreuung und Erziehung in Alltag und Freizeit partnerschaftlich teilen – sie leben eine Doppelresidenz (Wechselmodell) auf Augenhöhe, manchmal auch in gleichen Betreuungsanteilen.
Der Lebensmittelpunkt ist nicht nur an einen Ort gebunden
Das Hanseatische Oberlandesgericht (2 UF 106/14) hat mit einem alten Vorurteil aufgeräumt: Kinder können sehr gut an zwei Lebensmittelpunkten leben.
Wenn Eltern sich trennen, stellt sich die Frage, bei wem die Kinder künftig leben sollen. In der Praxis beantworten viele Eltern diese Frage einvernehmlich so, dass ihre Kinder bei beiden Eltern zu Hause sind und sie sich die Betreuung und Erziehung in Alltag und Freizeit partnerschaftlich teilen – sie leben eine Doppelresidenz (Wechselmodell) auf Augenhöhe, manchmal auch in gleichen Betreuungsanteilen.